28.11.2019
Besinnungsworte

Von Pfarrer Thomas Schumann, Evangelischer Klinikseelsorger im SRH-Zentralklinikum Suhl

Pfarrer Thomas Schumann

Lektion gelernt

 

Ein roter Zettel hängt eingeklemmt an der Garderobe meine Sohnes, als ich ihn in den Kindergarten bringe: „Wir laden Sie herzlich zu unserem Spezial-Elternabend ein! Es geht darum, wie Sie Ihre Weihnachtszeit besinnlich und entspannt verbringen können.“

Ich bin angetan. Tipps und Tricks für eine besinnliche Adventszeit. Das könnte ich jetzt gebrauchen: Mehr Ruhe und weniger Weihnachtsstress.

Ein Blick in den Terminkalender zeigt mir Termine über Termine: Nikolausturnen meiner Kinder im Leichtathletikverein. Weihnachtswichteln in der ersten Klasse. Weihnachtskonzert des Gymnasiums. Weihnachtsmarkt mit Kollegen. Weihnachtskegeln mit Freunden.

Ich schaue ein zweites Mal hin. Moment mal! Da stimmt was nicht. Offiziell beginnt Weihnachten erst am 25. Dezember. Da hat sich was verschoben. Früher gab es so was wie den Advent oder die Vorweihnachtszeit. Heutzutage gilt der Dezember als Weihnachtszeit. Offiziell beginnt diese aber erst am 25. Dezember.

Ich merke, wie mir beim Blick auf den Kalender der Puls steigt und ich mich gestresst fühle. Nein, Weihnachten ist noch lange nicht! Jetzt ist Advent. Ich mag nicht den ganzen Advent Weihnachten feiern.

            Vielmehr möchte ich da die vielfach besungenen und ersehnte Besinnlichkeit erleben. Aber wie?

Ein Hinweis darauf gibt mir das Kirchenlied, welches zum 1.Advent gesungen wird. „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“. In einer Strophe setzt sich der Text so fort: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, euer Herz zum Tempel zubereit“. Eigentlich geht es um mich selbst und meine eigene Einstellung zum Leben: „Was wäre, wenn du Gott mehr Raum in Deinem Leben geben würdest?“ Es ist eine zunächst banal wirkende Frage. Aber sie hat es in sich. Sie wendet sich gegen eine Fremd- und Außenbestimmung durch Traditionen und fragt nach mir: „Tun dir die Weihnachtsfeiern im Advent wirklich gut? Oder machst Du das aus falsch verstandener Höflichkeit mit? Macht das Sinn? Was brauchst du wirklich?“

Der Advent ist für mich eher die Bestärkung zur Entschleunigung als einen Gang rauf zu schalten. Er ermutigt mich, Gott und Gottes Wort in meinem Leben Raum zu verschaffen - und am Heiligabend den Erfolg zu feiern: Dass Gott tatsächlich ein wenig mehr Platz in meinem Leben gefunden hat - wie es auch bei der Heiligen Familie mit dem Jesuskind geschieht.

Ich werfe erneut einen Blick in den Kalender. Alle Termine absagen? Nein! Verlegen!? Ja, das wäre es: Denn die Weihnachtszeit endet erst am 2. Februar.

Wie wäre es - und da fänden Sie viel Zustimmung - die Weihnachtsfeiern in den Januar zu verlegen? Damit hätten Sie den Freiraum den Advent so zu begehen, wie er gemeint ist und Ihnen gut tut. Als Freiraum für Sie selbst und Gott.

Ich jedenfalls nehme meinen Mut zusammen.- Ich habe es begriffen, was ich jetzt tun muss, damit ich die Entspannung und Besinnlichkeit erreichen kann. Ich zünde eine Kerze an und gehe zum Spezial-Elternabend nicht! Der erste Schritt zu mehr Besinnlichkeit. Lektion gelernt.