29.01.2021
Besinngsworte zum 31.01.2021

Besinnungsworte von Matthias Gering, Gemeinde Goldlauter-Heitersbach

Wenn Hände schweigen 

                                                       

In den letzten Wochen hat mich die ARD Serie Charité begeistert. Neben dem Wirken von Prof. Prokop hat mich auch die Geschichte der Kinderärztin Ingeborg Rapoport in jeder Folge neugierig gemacht. Beeindruckt war ich von ihrem Umgang und der Fürsorge mit den Neugeborenen. Schön dabei zu sehen, wenn ein Kind sich aus der Abhänigkeit seiner Mutter zu lösen beginnt. Es entdeckt seinen Körper als Teil seiner selbst. Die ersten Glieder, mit denen sich Neugeborene spüren und eigengesteuert wahrnehmen können, sind seine Hände.  Der neue Erdenbürger nimmt sein Leben im sprichwörtlichen Sinn in seine Hand. In vielfältigen Ausdrücken wird deutlich, welche Bedeutung die Hände für die Menschen haben: Wie er sie einsetzen kann, wird seine Macht oder Ohnmacht deutlich. In der Rede mit den Händen werden Ziele und Absichten ausgedrückt. Mit den Händen kann jeder von uns seinen inneren Zustand ausdrücken.  Ein Sprichwort sagt es ganz deutlich: „Hände können nehmen und geben.“ Wenn sich zwei Menschen die Hände reichen, dann haben sie möglicherweise gerade eine Vereinbarung erzielt, sich gegenseitig Respekt erwiesen, einander geholfen oder sich begrüßt. Natürlich kann es auch sein, der Handschlag beendet einen Konflik zwischen zwei Personen. In allen vergangen Zeiten und in vielen Kulturen war der Handschlag von besonderer Bedeutung. Es ist noch nicht solange her, da wurden Verträge, Vereinbarungen und Versprechen ohne Stift und Papier nur mit einem Handschlag besiegelt. Ein Nebenefekt war dabei auch die Begegnung zweier Menschen, die sich nicht nahestanden, ja nicht einmal kennen mussten. Mit ihren gemeinsamen Handschlag haben sie für den Moment eine Verbindung hergestellt.         Und wie ist es heute? Heute erleben wir ganz andere Zeiten. In unserem Leben seit Corona, das sich langsam wie eine Art neuer Normalität anzufühlen beginnt, wurde der Handschlag abgeschafft.        Es ist einfach zu riskant! Eine jahrhunderte- wenn nicht ja eine jahrtausende alte Tradition wurde durch die geltenden Hygieneregeln unterbrochen. Ein Verbot, sich die Hand zugeben hat unbestritten gute Gründe. Daran zu rütteln, wäre jetzt fahrlässig. Und doch zeigt uns das Fehlen dieser kleinen Alltagsgeste was uns verloren gegangen ist. Zwischenmenschliche Begegnungen bleiben eingeschränkt, wir bleiben mehr für uns. Sicherheit ist das eine, aber der fehlende Händedruck schafft zwangsläufig auch Distanz. Es wird kaum dazu führen, dass wir uns annähern, und ich hoffe, dass eine weitere Entfremdung nicht die Folge sein wird. Es kommt also auf uns an, ob ein Leben auf Abstand uns nachhaltig verändert.  Ich wünsche mir, dass wir jetzt die Zeit finden, neue Wege zu gehen um den anderen zu erreichen. Brücken bauen, um ihn zu verstehen, auch wenn wir anderer Meinung sind. Ihm zeigen das wir zum Gespräch, auch mit dem geforderten Abstand bereit sind. Wenn die Hände schweigen müssen, kommt es womöglich noch mehr auf die Worte an, gut und sorgsam sollten sie gewählt sein gerade in der jetzigen Zeit.