18.01.2024
Besinnungswort zum 20.01.2024

von Almut Ehrhardt

Almut Ehrhardt

Vor einem Monat war Weihnachten, und das Neue Jahr ist auch schon nicht mehr neu. Was ist geblieben von den letzten Wochen? Vermissen Sie die Besinnlichkeit oder sind Sie froh, dass der Stress endlich vorbei ist? An Weihnachten feiern wir die Geburt Jesu, er kommt in unsere Welt. Streng genommen brauchen wir jedoch gar keinen Termin, um Jesus in unsere Welt und in unser Leben hinein zu lassen. Aber so sind wir Menschen nun einmal, Kalender, Bräuche und Rituale geben unserem Leben Struktur und Halt. Ich möchte Ihnen von einer Geschichte erzählen, die ich neulich seit langem mal wieder gelesen habe, sie heißt: „Nicht nur zur Weihnachtszeit“. Geschrieben hat sie der von mir sehr geschätzte Heinrich Böll. Er schildert den Zerfall einer bürgerlichen Familie. Der Grund: Milla, die Tante der Familie erträgt es nicht, dass der festlich geschmückte Weihnachtsbaum zu Mariä Lichtmess, das ist am 2. Februar, aus der Wohnstube entfernt werden soll und bekommt einen nicht endenden Schreikrampf. Kein Arzt und auch nicht der Pfarrer können der Tante helfen und sie beruhigen. Also wird ein neuer Baum besorgt und geschmückt, oben auf der Spitze ein Engel, der ständig „Frieden, Frieden“ flüstert. Die Tante beruhigt sich und ist glücklich. Für sie scheint am Heiligen Abend die Zeit stehen geblieben zu sein. Und nun soll auch noch die ganze Familie unter dem Baum versammelt sein, wie es Brauch ist. Die Familie ist gefangen im weihnachtlichen Ritual: von nun an müssen sie sich jeden Tag in der festlich geschmückten Stube versammeln, Plätzchen essen, Weihnachtslieder singen, miteinander plaudern und sich fröhliche Weihnachten wünschen. Die Probleme lassen nicht lange auf sich warten, als erstes kommt der Pfarrer nicht mehr zur allabendlichen Routine-Feier, also wird ein Ruheständler verpflichtet. Ein zweiter, dritter und weitere Bäume müssen besorgt und neu geschmückt werden, weil Nadelbäume nun einmal ihre Nadeln verlieren wenn sie keine Wurzeln mehr haben. Die kleinen Kinder der Familie meutern und ihre Eltern befürchten seelischen Schaden für sie, also werden die Kinder durch Wachsfiguren ersetzt. Die eine Cousine wird zur Alkoholikerin. Nach anderthalb Jahren ist die Familie zerrüttet. Alle leiden, nur die Tante ist glücklich, und der Engel flüstert „Frieden, Frieden“. Die erstarrte Tradition traumatisiert eine ganze Familie. Das Ende bleibt offen. Mich hat diese satirische Meistererzählung amüsiert und sehr nachdenklich zugleich gemacht. Was bedeutet mir Weihnachten? Licht in dunkler Zeit: Gott will in unser Leben eintreten, er möchte uns beistehen, mit uns gehen an guten wie an schweren Tagen. Dazu braucht es eigentlich kein Fest, es braucht meine Einladung an IHN, jeden Morgen, nicht nur zur Weihnachtszeit. Amen.