26.05.2025
Besinnungswort zum 24.05.2025

von Pfarre Thomas Schumann

DU BIST TOLL!

Diese Tage war unser Jüngster mal wieder am Basteln. Mit der Zunge zwischen seinen Lippen geklemmt, die Augen zusammen gekniffen, faltete er mit viel Mühe eine kleine Schachtel zusammen. Sorgfältig legte er eine Kleinigkeit hinein. Schließlich klebte er eine kleine Fahne oben drauf. „Guck mal, Papa, das schenke ich Liam morgen.“ Liam ist sein Mitschüler. Auf der Fahne hatte er mit krakeligen Buchstaben „DU BIST TOLL!“ geschrieben. „DU BIST TOLL!“ - ein ganz einfaches und ehrliches Kompliment. Tut gut, so ein Kompliment.

 Wir Erwachsene tun uns mit solchen Komplimenten schwer. Anderen geben wir eher mal ein Kompliment. Uns selbst aber weniger. Wir sehen uns selbst in einem eher kritischem Licht als andere.

 Manchmal ertappe ich mich, dass es mir leichter fällt, anderen zu sagen: „Ich mag Dich“, als zu mir selbst. Ich kann über deren Fehler schneller hinweg sehen als über meine. Mich selbst dafür lieben? Schwierig. Dabei steht doch in der Bibel: „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst.“ Sich vor den Spiegel stellen und zu sich selbst sagen: „DU BIST TOLL!“, kommt mir nicht in den Sinn. Das hätte doch etwas sehr Selbstverliebtes. In Lebensratgebern wird das häufig vorgeschlagen: „Rede es Dir nur häufig genug ein und Du irgendwann wirst Du es dann auch glauben.“

 Diese sogenannte positive Selbstaffirmation ist ein beständiges Wiederholen einer schönen Aussage über sich selbst. Und sicherlich ist das ein psychologisches Instrument, das gegen schlechte Gedanken über sich selbst entgegen wirken kann - doch wirkt es nur, wenn die Aussage realistisch ist: Ich kann mir so oft wie ich will einreden, dass ich bei den Olympischen Spielen Gold holen werde - trotzdem wird das niemals eintreten. Warum? Weil ich es einfach nicht kann.

 Wenn Jesus zur Selbst- und Nächstenliebe aufruft, dann meint er Selbstannahme. Sie erwächst daraus, dass wir von Gott geliebt sind. Sie kommt daher, dass Gott uns liebt und uns im Leben wie ein guter Hirte begleitet. Er weicht nicht von unserer Seite, was auch geschieht. Wie dunkel der Tag auch ist, wie niederschmetternd die Diagnose, die Lebenssituation, die berufliche, die gesundheitliche Situation auch ist: Gott steht mir bei - selbst wenn ich dafür verantwortlich bin, dass ich in diese Lage geraten bin. Das ist Ausdruck der Liebe Gottes, der eben sagt: „DU BIST TOLL - auch wenn nicht alles so toll ist, was Du tust oder in was Du geraten bist.“

 Heute wäre für Sie ein Tag, an dem Sie sich diese Worte immer wieder - mit oder ohne Spiegel - sagen könnten: „Ich bin geliebt. ICH BIN TOLL.“ Wenn Sie wieder an sich zweifeln oder über sich innerlich schimpfen, ihre Situation unerträglich ist, könnten Sie mit den Schultern zucken und sagen: „Na und? - Gott hat mich trotzdem lieb. Er zeigt mir den Weg.“ Je mehr sie es sagen, umso mehr werden Sie seine Liebe und Nähe spüren.

P.S.: Die stärkste Selbstaffirmation steht im Psalm 118: „Ich werde nicht sterben, sondern leben, und des Herrn Werke verkündigen… er gibt mich dem Tode nicht preis.“ - Dass ich dem Tod letztlich entkomme, glaube ich nicht. Weil ich es einfach nicht kann. Dass Gott mich letztlich vom Tod erretten wird, schon. Warum? Weil ER es kann.