22.07.2022
Besinnungswort zum 24.07.2022

Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst

Von Pfarrer Markus Heckert

Das Thema dieses 6.Sonntages nach dem Trinitatisfest ist die Taufe. An meine eigene Taufe kann ich mich nicht erinnern, ich war dafür zu klein. Aber mein Taufspruch, der ist mir bis heute wichtig und es ist auch der Wochenspruch für die kommende Woche: Gott spricht: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein.“ (Jes 43, 1). Dieser Spruch begleitet mich nun schon viele Jahre. Gottes wunderbare Zusage: Hab keine Angst, ich, dein Gott bin bei dir. Du gehörst zu mir. Mehr geht nicht. Gott selber hat mich lieb, passt auf mich auf und führt mich durch schwere Zeit. 
Und genau das brauche ich. Immer wieder. Diese bedingungslose Zusage, diese bedingungslose Liebe. Meine letzten Wochen waren nicht leicht. Meine Krankheit hatte wieder in meinem Körper die Oberhand gewonnen, schlimmer als sonst. Irgendwann das Eingeständnis, ich selber schaff es nicht, es müssen wieder die Infusionen her mit den schweren Nebenwirkungen. Also auf zum Neurologen, Untersuchungen, Termine bereden und darüber sprechen, wie es weitergeht, auch über die Nebenwirkungen der Therapie und die Angst, die damit verbunden ist.
Zuerst zum Neurologen. Diesmal war einiges anders. Der Arzt nahm sich mehr Zeit als sonst, wollte reden. Ich wurde misstrauisch. Kein gutes Zeichen, wenn der Arzt Zeit hat. Das bedeutet meist, keine guten Nachrichten. Mit den Jahren als Patient entwickelt man da feine Antennen. Und es fing auch gar nicht gut an, die Werte sind schlechter, die Zerstörung der Nerven schreitet fort, der Muskelschwund ebenso. Aber das wusste ich selber, das spüre ich ja jeden Tag, darum war ich ja auch hier. Das war nichts Neues. Und der Arzt redet weiter, dass er staunt, wie ich das alles hinbekomme, warum ich weitermache und nicht in den Ruhestand gehe, wie ich die Schmerzen aushalte. Und dann seine große Frage: Wie schaffen Sie das? Es scheint ihn wirklich zu interessieren und er hat richtig Zeit für mich und meine Antwort. 
Und ich erzähle, was mir Kraft gibt, erst langsam, stockend. Ich bin mir ja selber gar nicht so sicher. Und dann erzähle ich, wie ich wenige Tage vor der Untersuchung Gottesdienste gefeiert habe, unter Schmerzen, nur mit Krückstock und doch waren es wunderschöne, kraftgebende Gottesdienste. Ein Kind wurde getauft und ich konnte erzählen von Gottes großem Angebot, seinem Versprechen, da zu sein, wann immer wir ihn brauchen; konnte erzählen, wie ich lernen musste, dass dies nicht bedeutet, dass jeder Stein auf dem Lebensweg weggeräumt ist, aber das Gott verspricht, alle Wege mitzugehen, auch und gerade die schweren, zu helfen, zu tragen und aufzupassen, dass wir nicht verlorengehen in den Wirren und Umwegen, die das Leben für uns bereithält. 
Ich glaube, ich habe dem Arzt, der anscheinend auch Zeit hatte, eine ganze Predigt gehalten und dabei einfach von mir erzählt und meinem Glauben und meinem Fühlen und meiner Hoffnung. Es sprudelte nur so aus mir heraus, so ohne Vorbereitung und ohne Stichwortzettel. Wie wunderbar unser Gott ist, wie ich ihn spüren kann und wie er mich trägt. Auch in schweren Tagen. Was gibt mir Kraft? Gottes Liebe, aber wie genau, das kann auch ich nicht in drei Sätzen erzählen. Worte sind da zu wenig, zu schwach.  Und doch gibt dieses wunderbare Gefühl, geliebt zu sein, trotz all meiner Fehler, getragen zu werden trotz meiner Schwachheit und bewahrt zu sein alle Tage, auch und gerade an den schweren. Es ist nicht leicht und doch ist jemand da, der stärker ist als Krankheit, Angst und Not.  Was also gibt Kraft? Für mich ist dies Gottes Versprechen: Ich hab dich lieb, ich bin bei dir, ich gehe mit dir, ich trage, halte, beschütze und bewahre dich und pass auf, dass es irgendwie weitergeht. 
Oder wie es Jesaja formuliert, hat: Gott spricht: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein. (Jes 43, 1)