11.12.2020
Besinnungswort zum 3.Advent

Besinnungswort von Pastorin Kerstin Gommel, Suhl

Ich war vielleicht sieben Jahre alt. Wir waren mit der Familie ins Grüne gefahren und auf eine kleine Wanderung aufgebrochen. Am Ende waren unsere Kinderfüße müde. Daher wollte unser Vater allein zum Auto gehen und uns mit unserer Mutter an einer vereinbarten Stelle abholen. Aber irgendwie hatten die Erwachsenen sich schlecht abgesprochen: Vater kam und kam nicht. Ich weiß nicht wie lange es gedauert hat, bis wir uns doch gefunden haben. Wahrscheinlich war gar nicht viel Zeit vergangen.

Mir als Kind kam es wie eine Ewigkeit vor – verbunden mit dem panischen Gefühl: Wir werden bestimmt nie, nie, nie wieder nach Hause kommen.

Heute weiß ich: Wir waren gar nicht so weit weg. Im schlimmsten Fall hätten wir heim laufen können! Als Kind wusste ich das nicht.

Warum fällt mir diese Geschichte im Advent ein? Advent ist die Zeit des Wartens, des Wartens auf Weihnachten. Nun wissen wir Erwachsenen natürlich, wann es Weihnachten wird. Aber Kinder empfinden es anders.

„Wie oft muss ich noch schlafen?“ fragen sie – und können sich unter der Antwort „zwölf Mal“ doch nichts vorstellen.

Und auch wir Erwachsenen werden in diesem Jahr hart auf die Probe gestellt. Und wir wissen nicht, wie lange es noch dauern wird. Wann wird das alles vorbei sein? Wann werden wir uns nicht mehr von Ansteckung fürchten müssen? Wann werden wir uns wieder unbeschwert begegnen können?

Die Kinder öffnen jeden Tag eine Tür, um das Warten zu verkürzen. Die unübersichtlich lange Zeit wird in kleine Münze übersetzt. Vielleicht können wir auch eine Art „innerlichen“ Adventskalender entwickeln. Wir gehen jeden Tag durch so viele Türen. Uns werden Türen geöffnet. Wir öffnen jemandem unser Herz. Jemand hört uns zu. Wir schenken jemandem ein gutes Wort. Etwas Schönes passiert. Jemand betet für mich. So wie die Kinder jeden Tag eine Überraschungstür öffnen, so können auch wir uns Tag für Tag vergewissern: Noch leben wir und sind nicht allein. Und eines Tages wird alles auch wieder ganz anders sein.