18.06.2020
Besinnungsworte zum 13.Juni 2020

Besinnungswort von Pfarrer Andreas Barth, Schleusingen

Pfarrer Anreas Barth

Was uns lebendig hält

Jetzt darf Walter ihn wieder besuchen, seinen Freund im Seniorenheim.
Natürlich unter Auflagen. Die Zeit war lang, dass die beiden sich nicht
sehen durften. Viele Ältere haben darunter gelitten. Jetzt geht es an
vielen Orten wieder. In Frankreich, so erzählt es eine Zeitung, haben
sie sogar kleine Zelte erfunden, in denen Töchter und Söhne ihre alten
Eltern besuchen können. Diese Zelte stehen im Garten des Heims; dann
braucht man nicht durchs ganze Haus zu gehen. In den Zelten ist man
geschützt vor dem Virus, vor Wind und Wetter und den Blicken anderer.
Man darf dort sogar ohne Masken sitzen, nur mit einem dünnen Vorhang aus
Plastik zwischen ihnen.
Endlich kann man sich wieder in die Augen sehen, endlich lächelt man
sich wieder an und hört, was der andere sagt. Der dünne Vorhang hilft
sogar dabei, einander zu berühren; man berührt ja nicht direkt die Haut.
So ein Segen. Manche Ältere blühen regelrecht auf, erzählt man sich;
Sohn oder Tochter ebenso.
Es ist so wichtig, dass man sich sieht und einander berühren darf. Wie
sehr haben Menschen das vermisst. Es ist noch lange nicht alles wie
früher. Aber es gibt erste kleine Schritte. Die Menschen können einander
wieder zeigen: Ich hab‘ dich lieb, Mama oder Papa. Du bist nicht
vergessen.
Umgekehrt natürlich auch. Ich habe ihr Lachen so vermisst, sagt der Papa
einer Zeitung. Das macht mich lebendig. Jetzt spüren wir wieder, dass
wir nicht alleine in der Wohnung auf bessere Zeiten warten müssen,
sondern Freunde haben, Verwandte, Kolleginnen. Und eben die, die in
einem Heim leben und wieder Besuch bekommen dürfen, wenn auch immer noch
ganz vorsichtig.
Bald will Walter seinen Freund besuchen. Es gibt viel zu erzählen. Und
Gott danken wollen sie auch, dass sie sich haben und wiedersehen dürfen.
Es gibt ja Menschen, die sagen: Ich brauche niemanden. Hoffentlich sagen
sie das nur und glauben es nicht auch noch – oder leben sogar so. Wenn
es so sein sollte, ist es ein schwerer Irrtum. Jeder und jede braucht
Freunde oder Freundinnen. Es müssen nicht viele sein. Es sollen aber
Menschen sein, die auf uns achtgeben. Nicht kontrollieren oder neugierig
sollen sie sein, sondern sollen einfach achtgeben. Menschen, die mal
anrufen und nachfragen. Niemand ist eine Insel. „Es ist nicht gut, dass
der Mensch allein sei.“ (1. Mose 2,18). Wir Menschen brauchen einander,
mal etwas weniger, mal viel mehr. Jeder und jede braucht Menschen, die
achtgeben und sich um uns sorgen. Nur das hält uns lebendig.

In diesem Sinne: Bleiben Sie behütet!