Aug 24, 2025
Besinnungswort zum 24.08.2025

von Thomas Schumann

Das Jahr des Apfels

Ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass die Apfelbäume dieses Jahr unglaublich viele Früchte tragen? Wenn ja, dann liegen Sie richtig. Erstmals seit 2022 werden mehr als 1 Million Tonnen Äpfel geerntet werden können. 

Die vollen Apfelbäume erinnern mich an Martin Luthers bekannte Worte: „Und wenn die Welt morgen unterginge, würde ich heute noch einen Apfelbaum pflanzen.“ 

Wenn ich auf die gegenwärtige Weltpolitik schaue, fühle ich mich dem Weltuntergang auch ganz schön nahe. Worte wie „Kriegstüchtigkeit“ und „Aufrüstung“ sind wieder ganz angesagt. Da mag ich gar nicht mehr hinhören und -schauen. Und mal ehrlich gesagt: Seit Jahrzehnten bitten wir in nahezu jedem Gottesdienst Gott um den großen Frieden. Ja, wo ist denn nun mein Gott? 

Viele ziehen sich da in ihr Privates zurück. Sie mögen nicht mehr hinschauen. Das haben die Menschen in der Zeit der Romantik des 20.Jahrhunderts auch so gemacht. Sie waren mit der Industrialisierung überfordert und zogen sich in eine Vergangenheit zurück, die eigentlich so nicht existierte: Eine gute alte Zeit, in der Menschen mit der Natur im Einklang lebten und voller Eintracht ihr Familienleben pflegten. Die Errungenschaften der Wissenschaft wurden abgetan und stattdessen das Gefühl gegenüber dem Verstand verherrlicht. Der massenhafte Rückzug ins Schneckenhaus der Einfachheit und das Schwarz-Weiß-Denken führten in die Katastrophe. Zunächst waren es die anderen, die den Kürzeren zogen. Irgendwann war man selbst dran. Die Zeit der Entsolidarisierung endete in der Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus. Niemand blieb verschont. Derzeit sind wir mit der digitalen Revolution der künstlichen Intelligenz, dem Klimawandel, einem komplexen Kriegsgeschehen und vielem mehr konfrontiert. Alles das sind keine einfachen Themen. Viel leichter ist es da, wie vor kaum mal hundert Jahren uns in der Überforderung zurück zu ziehen.

Was das mit Gott zu tun hat? Eine Menge. Er begegnet mir in der Geschichte der Brüder Kain und Abel. Als Gott Kain nach seinem Bruder Abel fragt, wo dieser sei, antwortet Kain: „Bin ich meines Bruders Hüter?“ Doch die Geschichte hat einen Haken: Kain ist verantwortlich dafür, dass Abel ums Leben gekommen ist. Das ist ihm recht, weil er Abel nicht die Butter auf dem Brot gönnt. Doch aus Kain wird schließlich ein ruheloser, von seiner Schuld getriebener Mensch. 

Wie unsere Vorfahren stehen wir derzeit vor der Entscheidung, uns ins Private zurück zu ziehen oder Verantwortung zu übernehmen. Wir können uns der Hetze und dem ewigen Geschimpfe über die Welt anschließen. Wir können, und das ist die größte Gefahr: Dazu schweigen. Das war die Methode unserer Großeltern. Geholfen hat es nichts. Im Gegenteil.

Anstatt sie zu beschuldigen, können wir es besser machen: Wir können heute für die Menschlichkeit eintreten und uns auf die Zukunft ausrichten: Eine Zukunft für unsere Kinder, nicht für uns. Denn wir haben sie schon gelebt.

Wir sollten das Feld nicht irgendwelchen Querdenkern oder Schwurblern überlassen. Wir sollten den vielen übereinstimmenden Aussagen der Wissenschaft mit ihren Erkenntnissen vertrauen - auch wenn sie schmerzhafte Wahrheiten formuliert. Auch wenn sie uns zunächst überfordert. Tief im Herzen wissen wir, dass sich die Welt sich verändern muss, damit sie für unsere Kindeskinder und die Menschheit bewohnbar bleibt.

Gott ist ein Gott der Zukunft, nicht der Vergangenheit. Das macht mir Mut, mich der Zukunft zu stellen. Nicht, weil alles besser wird. Aber es etwas besser wird, wenn ich mich nicht vom Bösen überwinden lasse, sondern das Böse mit Gutem überwinde.

Die Millionen Äpfel dieses Jahr sind ein Zeichen der Hoffnung, dass wir als Gesellschaft, so vielfältig wie sie ist, zusammenhalten und uns gemeinsam diesen schwierigen Zeiten stellen. Wir schaffen es nämlich nur gemeinsam. Und mit Gottes Hilfe.