09.01.2024
Besinnungswort zum Heilig Abend

von Pfarrer Thomas Schumann, Klinikseelsorger am SRH-Zentralklinikum Suhl

Zwei Hände voller Einkaufstaschen. Er hat schwer zu tragen. Aus er einen Tasche schaut eine weihnachtliche Zuckerstange. Aus der anderen die Ohren von der Micky Maus. Daneben eine Sektflasche. Einzelne Geschenke hängen außen dran, mit grellem rosa Geschenkband versehen. Da scheint einer auf Trab zu sein.

            Der Mann mit den zwei Einkaufstaschen in der Hand, hat seine Arme hoch erhoben. Und genauer hingeschaut handelt es sich um eine Darstellung von Jesus. In Kreuzigungspose. An den Geschenken tropft die Farbe wie Blut herunter. Und selbst Jesus zerfließt regelrecht. Der Siebdruck des bekannten englischen Straßenkünstlers Bansky verbindet das Thema Weihnachten mit Jesu Leiden. Es ist eine ungewöhnliche Verbindung zweier scheinbar weit auseinander liegender Motive. Was hat Jesu Leiden mit Geschenken zu tun?

            Ganz naheliegend ist das bei meinen Geschenken. Ein Großteil wird in Ländern produziert, in denen Menschen unterbezahlt und ausgebeutet werden. Jesu Leiden am Kreuz zeigt stellvertretend das Leid, das wir durch unser Kaufverhalten provozieren. Wenn ich daran denke, welcher Bruchteil der Geschenke wirklich dauerhaft Relevanz haben wird - also meine Lieben erfreuen wird - ist es passend, dass der Künstler die Geschenke so darstellt, als ob sie verfließen: Kaum einer wird sich in einem Jahr an alle seine Geschenke erinnern können. Nur ganz wenige erhalten einen Ehrenplatz und schenken dauerhaft Freude. Weniger wäre da mehr gewesen.

            Darüber hinaus entdecke ich in dieser Jesusfigur auch das zeitgenössische Leiden: Der letzte Cent wird zusammen gekratzt, um irgendwie noch ein brauchbares Geschenk zu produzieren - weil es offenbar nur so wirklich Weihnachten werden kann. Jemand anderes läuft verzweifelt durch die Stadt oder surft im Internet um irgendwas zu finden, was überhaupt noch Freude auslöst - man hat doch schon alles!

            Schließlich hält das Weihnachtsfest viel Menschen auf Trab: Die Weihnachtstage sind vollkommen verplant, Heiligabend für sich, am ersten Tag zu denen fahren, am zweiten Tag dann zu den anderen. Nicht immer werden die Gespräche erbaulich sein, politisch ist man sich nicht immer einer Meinung, menschlich auch nicht unbedingt. Und wieso macht jetzt die Enkelin bei Fridays for future mit? Haben wir etwa alles falsch gemacht?

            Die Geschichte vom Weihnachtsmann, der mit seiner niedlichen Rentiertruppe unterwegs ist, verspricht Heiterkeit (Ho-Ho-Ho) und viele Geschenke. Doch die Crux: In Wirklichkeit werden wir auf Trab gehalten. Und er schenkt uns gar nichts. Für eine Illusion (an die sowieso nur die Kleinsten glauben) zahlen wir die Zeche.

            Anders ist es mit der Geschichte vom Jesuskind in der Krippe. Sie ist kostenlos. Sie stellt keine Forderungen. Wir müssen nichts dafür zahlen. Sie berichtet davon, wie Menschen im Angesicht Gottes - an der Krippe - zur Ruhe kommen. Maria und Josef, die Hirten. Sie haben nichts vorbereitet. Sie sind einfach nur da. Es ist okay. Gott schenkt Frieden. Besinnen wir uns darauf, entsteht zunächst Ruhe. Und dann ein weiter Blick: Für den Wert menschlichen Lebens, die Würde jedes einzelnen Menschenlebens. Für die Zerbrechlichkeit des Lebens und das Leid.

            Weihnachten überdeckt nicht den Unfrieden in dieser Welt, das Fest macht ihn sichtbar. Angesichts des Unfriedens in der Welt üben wir den Frieden ein, wo wir im kleinen Kreise Miteinander statt im Übereinander reden. Wo wir respektvoll und tolerant zuhören. Wo wir mit dem Urteil nicht voreilig sind und Probleme taktvoll ansprechen.

            Üben wir das zu Weihnachten erst einmal an uns selbst. Dann mit den Menschen, mit denen wir zusammen leben. Und dann auch im erweiterten Kreise: In unserem Umgang mit den KollegInnen, NachbarInnen - aber auch im bewussten Konsum von Gütern und Rohstoffen.

           

            Denn wir sind eine Welt in die der Eine kommt um das Eine zu tun: Frieden zu stiften und damit dem Leid ein Ende zu setzen. Und wir dürfen ein Teil davon sein.