30.04.2020
Besinnungsworte zum 02.Mai 2020

Von Pfarrer Thomas Schumann, Evangelischer Klinikseelsorger im SRH-Zentralklinikum Suhl

Pfarrer Thomas Schumann

Lebensfreude

Jetzt kehrt die Lebensfreude in unseren Corona-Alltag zurück: Die Bundesliga startet wieder. So verkündete letzte Woche der BVB-Boss Watzke das Vorhaben, Fußballspiele wieder stattfinden zu lassen! Jubel.

Ehrlich gesagt: Unter Lebensfreude stelle ich mir mehr vor. Sicherlich macht es Spaß, Fußball zu gucken oder wieder einkaufen zu können. Spaß ist etwas, was immer wieder neues Futter braucht. Es ist etwas, was ich konsumiere und sich mit der Zeit verbraucht: Das letzte Bundesligaspiel ist vorbei, und damit die Spannung auch. Ein neues Spiel muss stattfinden. Die zunächst neue Hose verliert ihren Reiz mit der Zeit, eine neue soll her.  Spaß ist kurzweilig.

Konsum ist nicht unbedingt umwelt- und menschenfreundlich. Die Produktion der Kleidung ist oftmals problematisch. Es ist umstritten, ob die notwendigen Corona-Tests für die Bundesligaspiele angemessen sind oder nicht doch für wichtigere Testpersonen aufbewahrt werden sollten. Lebensfreude stelle ich mir da anders, nachhaltiger vor.

Lebensfreude beschreibt der griechische Philosoph Epikur als die Unabhängigkeit von etwas Äußerem. Sie meint, dass ich zurecht komme, wenn vieles für mich nicht verfügbar ist. Damit ich Lebensfreude empfinden kann, müssen für Epiker die Grundbedürfnisse nach Essen, Trinken und Wärmeschutz vorhanden sein. Der Rest ist Luxus.

Blicke ich auf meine letzten Wochen mit ihrem Konsum-Entzug, dann merke ich: Eigentlich bin ich gut zurecht gekommen. Weder das Fehlen von neuer Mode, neuer Musik oder neuer Kinofilme hat mir zu schaffen gemacht. Selbst der Verzicht aufs Restaurant war für mich keine ernsthafte Entbehrung. Da bin ich mit Epikur auf einer Linie: Luxusbedürfnisse beruhen auf „leerer Meinung“  - und sie können schädliche Folgen mit sich bringen, die Umwelt und Menschen betreffen.

Auf Lifestyle kann ich verzichten. Schwerer fällt es mir mit Beziehungen. Mir fehlen direkte Kontakte. Gottseidank ist da über das Internet und Telefonie eine Milderung möglich, aber es ist nicht dasselbe.  Distanz ist die neue Nähe. Und Entspannung fehlt mir. In jeder Ritze meines Lebens hat sich das Thema Corona eingenistet.

„Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! … Der Herr ist nahe!“, schreibt der Apostel Paulus an die Gemeinde in Philippi (Phil 4,4). Paulus ist eingesperrt, kann nicht raus. Sorgen umgeben ihn. Für ihn kein Grund vom Glauben abzufallen. Gott ist da, wie vertrackt die Lage auch ist. Paulus hat ein Gegenüber. Er schöpft Kraft aus dem Gebet, weil er weiß: Ich habe einen Ansprechpartner. Kein Wort mit fünf Buchstaben, sei es das Wort Virus oder Sünde, kann uns von Gott trennen. Er sorgt für uns. Das entspannt und ermöglicht - trotz allem Lebensfreude.

Lebensfreude ist die Aussicht, dass wir - wie bescheiden es auch gerade aussieht - nicht scheitern. Sie entsteht gerade nicht weil wir dafür sorgen, sondern weil für uns gesorgt ist. Auch nicht weil wir beten. Sondern weil Gott es für uns so beschlossen hat. Im Gebet vergewissern wir uns Seiner Gegenwart und er entlastet uns von dem Virus, der sich bei uns eingenistet hat - ebenso wie von dem anderen Wort mit den fünf Buchstaben: Sünde - die verheerender ist als jeder Virus.

Hand aufs Herz: Ist es nicht ein Geschenk, dass wir genug zu Essen, zu Trinken, ein Dach über den Kopf haben? Und ist es nicht auch eine Chance, unseren Luxus zu überdenken? Beziehungen neu zu pflegen? Für Paulus ist Lebensfreude kein Selbstzweck. Sie ist Anlass zu sagen: „Eure Güte lasst kund sein allen Menschen!“

Tatsächlich sollten wir den Blick auf die Menschen richten, denen es jetzt wirklich schlecht geht. Ich denke an Obdachlose in Großstädten. Ich denke an Nachbarn die an sozialen Kontakten verhungern. Ich denke ich an die Situation der Flüchtlinge, die in Lagern unter schlimmsten Bedingungen untergebracht sind. Ich denke an den Kontinent Afrika.

Es gibt viele Fragen die zunächst geklärt werden müssen, bevor wir wieder Luxus leben können. Und mit Gottes Hilfe entdecken wir wieder die Lebensfreude, die nachhaltig ist.

Er segne Sie!